Hab seit dem noch nicht. Musste dringend Schlaf nachholen.
Nach insgesamt 42 Stunden ohne Schlaf war das mein größter
Wunsch. Man wird einfach genügsam.
Aber nun zum eigentlichen Thema:
Extreme aufgeregt - vor dem was da auf mich zukommen mag -
war ich bereits gegen 7:00 Uhr am Samstag wach, hell wach.
An Schlafen war nicht mehr zu denken. Auto Packen, in die
Startlöcher begeben, aber die Familie forderte noch die eine
oder andere Arbeitsleistung ein - ist ja auch ihr gutes Recht
- und um 12:00 Uhr saß ich dann endlich im Auto auf dem Weg
nach Brühl / Köln. Auf einem Weg dort hin noch einen Freund
eingesammelt, neues Laufrad montiert und noch einen Satz Mäntel
organisiert. Bei einem 600km langen Brevet sollte man nicht
unbedingt mit sprödem Material am Start stehen. So etwas kann
sich rächen.
Natürlich waren wir viel zu früh und konnten uns den Luxus
erlauben am Rheinufer den Grill anzuschmeißen und essen was
das Zeug hielt. Schließlich hatten wir uns hier mit ein paar
weiteren Randoneuren verabredet, die Kohlehydratspeicher bis
zum Anschlag zu füllen.
Gegen 18:00 Uhr war die Aufregung so groß, dass es keinen
mehr hielt und wir beschlossen so allmählich uns Richtung
Startplatz zu bewegen. Schließlich musste noch so einiges
gepackt und umgebaut werden. Was nimmt man mit auf die Reise?
Pünktlich zum Start um 21:00 Uhr fing es wie aus Eimern an
zu regnen. Das war ja auch nicht anders zu erwarten. Wozu
auch auf schönes Wetter hoffen, wenn man vor hat 600km am
Stück zu fahren. Nach Sekunden waren wir bereits durchnäßt.
Glücklicher Weise war es nicht sonderlich kalt, so dass der
Regen erträglich war.
Nach ca. 20 km in der Führungsgruppe habe ich mich nach meinem
Freund Guido umgesehen, der ansonsten immer vorne fuhr, nur
dieses Mal war er nirgends zu sehen. Nach weiteren 10 km bin
ich dann rechts ran gefahren und habe zum Telefon gegriffen.
Wo er steckt? Gaaaanz weit hinten, ohne Motivation, lustlos,
sinnlos völlig demotiviert. Also habe ich auf ihn gewartet
und nach 10 Minuten kam er dann endlich. Ich habe es in seinen
Augen lesen können. Die totale Lustlosigkeit. Nicht mehr der,
mit dem ich noch vor 1,5 Stunden am Start stand. Also sämtliche
plychologischen Tricks ausgepackt ihn aus diesem Loch zu ziehen.
Nach weiteren ca. 10 Minuten fuhr die 2. Startgruppe an uns
vorbei und wir haben uns rangehängt um nicht alleine durch
die Nacht zu ziehen. So glaubte ich zumindest. Doch bereits
bei der nächsten Ampel. War er nicht mehr zu sehen. Ausgebüchst,
das Handtuch geschmissen. In Anbetracht des Sauwetters kann
ich das absolut verstehen. Die Versuchung sich ihm anzuschließen
war unglaublich groß und wenn nicht die 2. Startgruppe an
uns vorbeigefahren wäre, ich glaube ich hätte nicht lange
standhalten können. Die Brühe stand auf der Straße. Und das
was nicht von oben Nass wurde, wurde durch die Gischt des
Vordermannes durchtränkt.
Irgendwo in Plettenberg, noch lange vor der ersten Kontrollstelle
aber bestimmt nach 2 Stunden Fahrt, inmitten strömenden Regens,
wurde ich an einer roten Ampel gefragt, warum wir hier bei
diesem Sauwetter durch die Nacht fahren. Was für eine Frage.
Darauf gibt es eigentlich gar keine Antwort. Ich habe mich
auch nicht angestrengt hierfür eine halbwegs plausible Erklärung
zu liefern. Die gibt es eigentlich nicht. Diese Frage darf
man sich streng genommen nicht einmal selber stellen. Man
tut es einfach, weil?s spaß macht! Das kann kaum einer wirklich
nachvollziehen. Das gebe ich unumwunden zu.
Alle mit denen ich im Vorfeld gesprochen habe, meinten, dass
ich ja jederzeit aufhören könnte. Aber mal im Ernst. In dem
Moment, in dem das Aufgeben ein Punkt auf der Liste mögliche
Optionen ist, wird er auch irgendwann gezogen. Im Klartext
heißt das, Aufgeben ist KEINE Option. Von Anfang an nicht
und hat auf dieser Liste nichts zu suchen. Das einzige was
auf der Liste steht ist: fahren, fahren, fahren!
Relativ geschlossen ging es durch die erste Nacht und als
es dann endlich langsam Hell wurde bildete sich auch so etwas
wie ein Pelloton. Windschatten fahren. Energie sparen. In
dieser Nacht hatte ich mit der Müdigkeit zu kämpfen und mehrfach
das Gefühl, dass mir die Augen zu fallen. Umso glücklicher
war ich als gegen 4:30 so allmählich die Morgendämmerung einsetzte.
Einfach herrlich!
Die 2. Kontrollstelle erreichten wir in einer größeren Gruppe
von denen sich einige zunächst einmal stärken wollten. Der
Rest schwang sich wieder aufs Bike und so konnten wir in einer
kleinen aber feinen Gruppe die Flachetappe zwischen dem Sauerland
und dem Weserbergland zurücklegen. Kaum haben wir die ersten
Ausläufer des Weserberglandes erreicht, waren wir dann leider
nur noch zu dritt. Zu dritt fuhren wir dann auch den Rest
der Strecke.
Kurz über die Weser übergesetzt, die Porta Westfalica in der
Ferne gesehen und auf den Rückweg gemacht. Den Rest des Tages
noch nutzend, kamen wir in der Abenddämmerung wieder an den
Ausläufern des Sauerlandes an. Nur noch eine Nacht!
Weitere Einzelheiten erspare ich mir hier lieber. So werde
ich nie verraten wie man sich fühlt wenn man mit einem fetten
Hungerast nachts um 1:00 Uhr alleine mitten im Bergischen
Land und ohne Orientierung steht. Eigentlich weiß ich es selbst
schon nicht mehr. Da hat das menschliche Gehirn schon eine
tolle Vorkehrung getroffen. Der Verdrängungsprozess funktioniert
einfach wundervoll.
Nur kurz: Es kommt der Punkt da wollen die Beine nicht mehr
und da fängt eigentlich das an, was den Reiz an Langstrecken
ausmacht. Man fährt mit dem Kopf. Der Verstand gegen den Körper,
die Müdigkeit, die Erschöpfung.
** 650km ** 36 Stunden unterwegs gewesen ** 2 Nächte und ein
Tag durchgefahren ** 42 Stunden ohne Schlaf ** ca. 15.000
Kcal verbrannt ** ca. 6 Stunden durch ströhmenden Regen geradelt
** einen Sturz ** 10 Riegel, 2 Gels, unzählige belegte Brote/Brötchen
** Cola, Wasser, Schorle Literweise ** Hungerast ** Überreizte
Achillessehne ** Krücken ** Belastungsverbot vom Orthopäden
** PBP kann kommen!!!
Mit blutigen Grüßen
Andreas
P.S.: Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass
das in diesem Bericht enthaltene Bildmaterial mit dem Inhalt
nichts, aber auch rein gar nichts zu schaffen hat. Hier habe
ich mich der Order unseres Kapitäns gebeugt, nachdem er mich
schon Kiel holen wollte und meinte der etwas Lettern-lastige
Text benötigt dringend Auflockerung. Allerdings bin ich der
Meinung, dass der durchschnittliche Intellekt eines Piraten
höher ist als der seines Rufs. Also Piraten haut in die Tasten
auf dass die zukünftigen Beiträge aus mehr als nur Bilduntertiteln
bestehen. Beweist mir dass ich Recht habe.