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Pirate
Das letzte motorisierte Abenteuer wird zu einer Erlebnisreise der ganz besonderen Art

Im Sommer 2010 hören wir im Radio von der Allgäu-Orient-Rallye. Alles hört sich spannend an, das Team - 5 Männer und 1 Frau - ist schnell zusammengestellt und wir freuen uns am 7.7.2010 um 3.33 Uhr einen der begehrten Startplätze ergattert zu haben.

Unsere Rallye-Autos - drei Audi Quattro 100 - werden gekauft und es muss noch viel geschraubt werden, um die Fahrzeuge rallye-bzw. fahrtüchtig zu machen.
Das Ziel der Rallye: Wir bringen die Autos nach Jordanien und der Erlös der Fahrzeuge wird für einen guten Zweck gespendet.

Im April ist es dann endlich soweit: die Fahrzeuge laufen und wir freuen uns auf den 30.4.2011 > Start in Oberstaufen !

Aufgrund der in Syrien landesweiten Demonstrationen mit gewaltsamen Auseinandersetzungen sehen wir die Reise auf dem Landweg noch als kritisch; bis dann die Reisewarnung vom Auswärtigen Amt für Syrien ausgesprochen wird und somit schon vor Rallyebeginn feststeht, dass wir auf diesem Weg nicht nach Jordanien einreisen werden.

Das "OK" (Organisationsteam der Veranstaltung) macht uns jedoch Hoffnung unser Ziel "Jordanien" zu erreichen und somit machen wir uns am 29.04.2011 pünktlich um 6.00 Uhr auf den Weg nach Oberstaufen. Unser 21 Jahre alter Audi zeigt auf dem km-Stand eine Laufleistung von 371.619 km an. Die Anreise von 689 km bereitet dem Auto keine Probleme.
30.4.2011
Mit Verspätung fahren wir um 8:50 Uhr von der Startrampe. Die Stimmung ist perfekt. Pirat Nils erfüllt die 1. Aufgabe: Auf dem Alpsee gibt es für jedes Team das Roadbook mit den Aufgaben und Rallyebedingungen. Wir hätten zwar nicht gedacht, dass wir schon nach ein paar km unser erstes "Helferfoto" von einer Autowerkstatt machen ... die ersten "kleineren" Probleme. Um 11.00 Uhr sind die Probleme beseitigt und wir lassen es rollen. Schließlich wollen wir doch die Rallye und den Hauptpreis - ein lebendiges Kamel - gewinnen.
Um 16:30 erreichen wir die Grenze nach Österreich. Es ist schon dunkel und wir entscheiden uns auf dem Parkplatz eines Kaufhauses zu übernachten. Glücklicherweise sind die Autos perfekt ausgebaut und in unserm "Keller" haben wir reichlich Vorrat an Ravioli.

01.05.2011
Teamchef Thomas weckt uns zu einer unchristlichen Zeit: 6:15 Uhr  - Wir kommen nur langsam in die Gänge und es ist schon nach 8:oo Uhr bevor wir losfahren. Als Tagesaufgabe müssen wir 6 mit unseren neuen "Weggefährten - 3 rallye-markierte schwere Steine" in einer Telefonzelle bei geschlossener Tür fotografieren lassen. Hätte nicht gedacht, dass 6 Piraten in so`n Ding reinpassen :-)




Um 11:oo Uhr erreichen wir den Grenzübergang: Österreich-Ungarn. Wir freuen uns zur Mittagspause einen Badestop am Plattensee zu machen, da die letzte Dusche schon ein paar Tage her ist. Zu früh gefreut: Bei 13Grad und Regen möchte keiner ist das kalte Nass. Wir fahren weiter; der Regen wird stärker und um 18:40 erreichen wir die Grenze nach Rumänien. Wir hätten nicht gedacht, dass wir für die heutige Etappe von 611 km den ganzen Tag benötigen... Um 20.00 Uhr suchen wir ein Hotelzimmer, da wir dringend eine Dusche benötigen.
Die Übernachtung darf p.P. maximal 11,11 EUR kosten. Das Abendessen ist so lala, gemütlich trinken wir noch ein, zwei.... URSUS.

02.05.2011
Wir starten zeitig, aber durch eine ungewollte Sightseeingtour durch ARAD hat uns das nichts gebracht. Unser Roadbook mit den Aufgaben ignorieren wir.... das Kamel gewinnen wir auch so :-) Andere Teams sehen wir nirgends; kann ja auch nicht... wir sind bestimmt ERSTER *grins. Aufgrund unseres Vorsprungs entscheiden wir auch die Straße zu verlassen und unsere
Autos auf "Rallyetauglichkeit" auf Schotterpisten zu testen. Was ein Spaß ! Der Spaß wurde zur Arbeit: Ein abgerissener Auspuff!


Die Tage werden immer länger. Um 21:30 Uhr reisen wir in Bulgarien ein. Da es schon dunkel ist, die Straßen unglaublich schlecht sind und uns die Hunde fast durch die geöffneten Scheiben ins Auto springen fühlen wir uns unwohl und fahren weiter um eine geeignete Stelle für die Übernachtung zu suchen. Wieder Ravioli !
Heute haben wir ersten Kontakt mit der Verkehrskontrolle. Wir waren zu schnell. Mit Händen und Füßen versuchen wir den Beamten zu erklären was wir vorhaben und sie wünschen uns ohne Strafzettel eine gute Fahrt.
3.5.2011
Thomas weckt uns wieder um 6:oo Uhr. Erst jetzt sehen wir, das wir inmitten einer "Cannabis-Plantage"  übernachtet haben. Es ist immer noch regnerisch und bei 11 Grad lausig kalt.


Die Hauptstraßen sind gut ausgebaut; wir entscheiden uns für den "Stoßdämpfertest" auf den Nebenstraßen.
12.00 Uhr - Einreise Türkei: Erstmalig müssen wir am Grenzübergang sämtliche Formalitäten erledigen und das dauert. In Edirne machen wir die erste Döner-Pause. Dann geht`s weiter nach Istanbul. ... Stau !! Das Fahrerlager an der Blauen Moschee erreichen wir um 20:50 Uhr. Enttäuschend stellen wir fest: Wir sind NICHT Erster ;-)
Die Stimmung ist gut.




4.5.2011
Es regnet in Strömen. Trotz des schlechten Wetters ist die Stimmung weiterhin gut und wird nach einer offiziellen Bekanntgabe -Plan B- noch besser. Auf dem Landweg ist die Einreise durch Syrien nach Jordanien nicht möglich. Das O.K. hat als Alternative Verhandlungen geführt um Fährschiffe zu organisieren, die uns dann die Einreise über Israel ermöglichen. Voller Begeisterung stellen wir uns mit unserer Piratenfahne zum Massenstart an der Blauen Moschee auf.
Als zusätzliches Highlight haben wir Freikarten für das Fußballspiel: Türkei-Formel1 Fahrer. Wir setzen mit der Fähre über den Bosburus und fahren zum Stadion. Dort belächelt man uns... es gibt keine Freikarten. Super, schon haben wir erste Zweifel, wie man für über 600 Leute und 300 Auto eine Fähre nach Israel organisieren möchte, wenn der Besuch eines Fußballspiels im eigenen Land scheitert.  
Heute hat sich jeder auf eine Dusche gefreut, aber aufgrund des Formel1 Rennens in Istanbul sind alle Hotels ausgebucht und wir schlafen wieder im Auto.
Wir lassen uns unsere gute Laune nicht vermiesen und feiern den Geburtstag eines Teammitglieds.

5.5.2011
Es regnet immer noch. Das versprochen Frühstück gibt es auch nicht.... - alles "getürkt". Heute geht´s nach Ankara. Wir erreichen das Faherlager als 4. Team... wieder vorne mit dabei!!!
Die Stimmung ist immer noch gut und wir entscheiden wieder auf die Dusche zu verzichten und im Camp und Audis zu bleiben.
Dann kriegen wir aktuelle Informationen: Die Fähre nach Israel ist organisiert und kostet 330,- EUR p.P.
Trotz unserer bestehenden Zweifel, Jordanien auf diesem Weg zu erreichen, entscheiden wir uns mitzumachen. Wir wollen doch das Kamel gewinnen!!

6.5.2011
Massenstart in Ankara. Auf dem Weg zur Startrampe müssen wir ein Auto überbrücken.


Die heutige Aufgabe und Tagesetappe lassen wir aufgrund der türkischen Benzinpreise und stundenlanger Autofahrt (für 1 Foto) unerfüllt.
Wir entscheiden uns für die Weiterfahrt Richtung Mersin zur Fähre und gucken uns die "Zipfelmützen" in Goereme an. Es gibt ein super türkisches Abendessen und eine Dusche !!!
7.5.2011
Wir haben Zeit. Bis Mersin ist es nicht weit und so entscheiden wir uns einen Abstecher in die Berge zu machen. Diese Etappe wird die landschaftlich und autofahrtechnisch schönste uns anspruchsvollste Etappe der gesamten Reise bleiben. Die Männer am Quattrolenker kommen voll auf ihre Kosten und Ute braucht einen Jägermeister für die Nerven.


8.5.2011
Mersin: Die Sonne brennt - die Fähre soll gegen Abend ablegen und wir verbringen den Tag am Strand. Der Rallye-Charakter ist verloren - jetzt heißt es warten.
Auf dem Weg zum Hafen fahren wir uns noch eine Felge kaputt - kein Problem. Der Reifen ist schnell gewechselt.


Und dann ...... Im Hafen sieht man kein "OK". Man drückt uns lieblos einen Zettel in die Hand auf dem uns mitgeteilt wird, dass es keine Fähre von Mersin nach Israel gibt und stattdessen für den folgenden Tag eine Fähre von Tasucu über Zypern nach Ägypten gebucht ist. Das ist nicht mehr lustig und die gute Stimmung fängt an zu bröckeln.
Schon jetzt wissen wir, dass wir durch einen weiteren Tag im Hafen und einer deutlich längeren Fährfahrt unsere gebuchten Rückflüge nicht kriegen werden.
Und nun?
Die Fähre ist bezahlt und wieder treffen wir gemeinsam die Entscheidung: Wir fahren mit/weiter! Die Rückflüge verschieben wir nach Rücksprache mit unseren Arbeitgebern sicherheitshalber um 2 Tage.

9.5.2011
SMS vom OK: Die Fähre verlässt den Hafen von TASUCU um 15.00 Uhr nach PORT SAID-Ägypten. Treffpunkt am Hafen ist um 13.00 Uhr. Auf Zypern ist ein Alternativprogramm organisiert bevor wir dann die 20 stündigen Überfahrt auf hoher See starten.
Wieder ein bisschen Hoffnung: Wir erreichen den Hafen und vertreiben die Wartezeit mit einem leckeren Bierchen und Gesprächen mit den anderen Teams. Zwischenzeitlich ist schon viel passiert: Unstimmigkeiten
innerhalb der Teams, Unfälle, Krankenhausbesuche..... Es gibt viel zu erzählen. Gut so, denn die Abfahrt hat sich von 15.00 Uhr auf 23.00 Uhr verschoben. Um 3.00 Uhr - 10.5.2011 - verlassen wir dann endlich den
Hafen.

10.5.2011
Zypern: Wir haben keine Lust auf die bisher gescheiterte Organisation des OK und nehmen den Tag "in unsere Hand". Wir fahren über den türkischen Teil der Insel, gönnen uns ein gutes Mittagessen, einen Strandbesuch mit anschließender Dusche. Dann machen wir noch einen Großeinkauf für die 20 stündige Fahrt mit der Fähre. Unsere Autos werden der "Autofähre" zugewiesen, doch wir mogeln unsere Audis auf die Auto/Personenfähre, was sich anschließend als beste Entscheidung erweisen wird.
Auch von Zypern legen die Fähren mit großer Verspätung um 3.00 Uhr nachts ab.

11.5.2011
Die Piratenflagge flattert im Wind. Das Bierchen schmeckt und wir machen das Beste aus dem Tag. Ganz nebenbei werden wir informiert, dass die Überfahrt statt der angekündigten 20 Stunden mindestens 36 Stunden dauern wird. Im Autodeck veranstalten einige Rallyeteilnehmer ein „Autorennen“ und rennen über alle Autos. Die Motorhauben werden zur "Vogeltränke".


12.5.2011
Wir haben die Nacht in unserem Auto geschlafen - purer Luxus. Viele Andere schlafen in Stühlen und haben nicht mal einen Schlafsack oder Klamotten zum Wechseln dabei. Eine Schiffs- Maschine fällt aus und die Wasserspülung funktioniert auch nicht mehr. Der Seegang ist heftig und das große Kotzen ist angesagt. Glücklicherweise sind die Piraten "seefest".
Die voraussichtliche Ankunftszeit ist 15.00 Uhr. Um 17:30 Uhr lässt der Seegang nach ... erfreulich, oder ? Nein - kein gutes Zeichen: Wir haben aus dem Wind gedreht und warten auf die Einreisegenehmigung der ägyptischen Hafenbehörde. 5 Stunden später: Wir kreisen 40 km vor Ägypten und bekommen die Nachricht: KEINE Einreisegenehmigung - es geht zurück zur Türkei.
Das Bistro ist längst ausverkauft und die letzten Hamsterkäufe für Trinkwasser und Chipse werden gemacht.

Freitag, der 13te
Der Seegang heftig. Eine "Notverpflegung" ist organisiert. Kleine Rationen Reis und Nudeln werden aus provisorischen Behältnissen verteilt - fast wie in einer Krisensituation. Gut, dass wir die Audis und noch ein paar Dosen Ravioli plus Gaskocher an Bord haben.


14.5.2011
Ohne erneuten Aufenthalt auf Zypern erreichen wir den Hafen von Tasucu-Türkei. Das OK entzieht sich der Organisation und alle Teams müssen den weiteren Ablauf der Reise selbst in die Hand nehmen. Einige Ehefrauen sind zwischenzeitlich nach Jordanien geflogen um ihre Männer dort zu empfangen. Auf der Fähre gab es keine Möglichkeit Kontakt mit der daheimgebliebenen Familie aufzunehmen - kein Netz.
Jetzt müssen viele Dinge spontan geregelt werden:
--- fliegt man von der Türkei nach Jordanien um von dort, den Rückflug und eine evtl. geplante Urlaubsverlängerung anzutreten (die Autos bleiben dann in der Türkei)?
--- fährt man die Autos wieder nach Hause ? Das bedeutet viel Zeit und noch mehr Geld.
--- bucht man einen Rückflug von der Türkei nach Deutschland ???
Wir entscheiden uns für den Flug von der Türkei nach Deutschland, da unsicher ist, ob die Autos die Rückfahrt überstehen und wir alle am 16.5.2011 wieder am Arbeitsplatz erscheinen möchten.
Das OK nennt uns noch eine Sammelstelle für die Autos und verspricht uns, dass die Fahrzeuge dem türkischen Zoll zur Verwertung überlassen werden. Dieser würde sich dann auch um die Austragung in den Reisepässen kümmern. Ob das bereits erfolgt ist, ist noch ungewiss und ob der Erlös der Fahrzeuge einem "guten zweck in der Türkei" zugute gekommen sind - wir wollen es gar nicht mehr wissen.


Fazit: Wir haben kein Kamel gewonnen, wir haben unsere Rallye- Autos nicht für die Welthungerhilfe gespendet... aber wir Piraten sind an Erfahrung reicher geworden. Diese Reise bleibt sicherlich ein einmaliges und unvergessenes Erlebnis....

Es grüßen – Ute und Nils









 

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